Wilhelm von Humboldt           Nr. 7 vom 7. Januar 1832

1767 – 1835

Vereint ich Myrthe hier und Lorbeer sehe,

und in der Hohen brüderlichen Nähe,

nachahmend ihrer Zweige Ragen, stehe,

daß mich die südliche Natur umwehe.

 

Ein andres Rauschen auch es hier noch giebet,

wenn Wolke Himmels milde Bläue trübet,

herab fein fallend Sommerregen stiebet,

und dieses andre Rauschen Ohr auch liebet.

 

Drum mir zu grüßen jeden Tag gebühret

hier Myrth und Lorbeer in der heilgen Frühe,

langsam hinaus zur stillen Stadt ich ziehe.

 

Die Sonne nie die hohe Lust verlieret,

daß Funken sie glanzstrahlend weithin sprühe;

Hesperiens Boden es heißflammend spüret

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wilhelm von Humboldt           Nr. 15 vom 15. Januar 1832

1767 – 1835

Wenn sich zum Abend hin die Sonne neiget,

zusammen Purpurwolken finster ziehen,

ein fernes Leuchten flammt in hellem Glühen,

die Flur liegt bang und Totenstille schweiget.

 

Doch bald der Sturm die hohen Wipfel beuget,

ein warmer Regen fließt, die Vögel fliehen,

und nahe Blitze rot nun niedersprühen,

der Donner rollt, der Schöpfung Ernst sich zeiget.

 

Dann kehr ich ein in Schutz wirtlicher Mauern,

und laß vorüber Wind und Wetter schauern.

Denn bald ein schöngespannter Bogen wäget

 

Die Schenkel, die die Erde freudig träget.

Die Farben grün und blau noch strahlend dauern,

wenn lange sich schon hat der Sturm geleget.

 

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 16 vom 16. Januar 1832

 

...

Wenn überm Ährenfeld die Sterne prangen,

so Himmelspracht sich gießt auf Fruchtgebähren,

...

nicht zwischen Erd’ und Himmel trennend wählen,

des Himmels Glanz der Erde Nacht vermählen.

...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 43 vom 12. Februar 1832

 

 

...

So hoch und fern die Himmelssterne liegen,

sie können nicht zu Sterblichen sich fügen;

der Stern, dem harrn entgegen diese Schritte,

versetzt sich in des Lebenstreibens Mitte...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 50 vom 19. Februar 1832

 

 

Den ganzen Tag mich führten Stellas Schritte,

wo Monte Cavos Gipfel hoch sich hebet,

von Majestät und Lieblichkeit umschwebet,

in beider stillen Seen waldger Mitte.

...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 57 vom 26. 2. 1832

 

...

Was in dem Innersten der Menschen lebet,

...

findet im Traum, unsichtbar, sichtbar Zeichen.

Der Geist ruht dann auf seiner eignen Tiefe.

...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nr. 179 vom 28. Juni 1832

 

...

Und was gelang mir mühvoll zu erreichen?

...

wo sind die Halme, die mir reifend bleichen?

...

Dein Lohn ist hin, er lag in Deinem Mühen

und Deinen einsam oft durchwachten Nächten;

in keiner Zeit wird Dir ein andrer blühen.“

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